Lieber Herr Scheuermann!

Ich beschäftige mich ja auch immer noch mit den neueren / neuesten astrophysikalischen und physikalischen Erkenntnissen - obwohl ich zugeben muß, daß ich bei manchem nicht so ganz mitkomme; aber das brauche ich ja auch nicht (mehr!). Wenn ich da z. B. an die Ladung der Quarks denke, die 1/3 bzw. 2/3 der Elementarladung betragen soll, dann muß man entweder die Elementarladung neu definieren - mit ungeahnten Konsequenzen ... oder die Ladung der Quarks ist falsch bzw. die Theorie der Quarks muß geändert werden usw. Ich finde das ausgesprochen häßlich!!
Wenn ich mir dann so die Geschichte der Naturwissenschaften vor Augen führe und an all die abgelegten Theorien denke und an das ewige Suchen der Menschen (nicht aller, aber zumindest des besseren Teiles der Menschheit!) nach der "Wahrheit" ...... dann "flüchte" ich mich ganz gern auch mal in die Literatur, die Geisteswissenschaften, die von all den physikalischen Problemen keine Ahnung haben und doch ...
Das geozentrische Weltbild finden wir heute - mit unserer astronomischen Betrachtungsweise - lächerlich. Aber zu Ptolemäus' Zeiten war dieses System mathematisch sehr gut begründet und die Vorhersagen nach diesem System waren genauer (!) als die Vorhersagen nach dem kopernikanischen System!! Erst durch Kepler und seine drei Gesetze der Planetenbewegung wurde das heliozentrische System des Kopernikus von einem entscheidenden Fehler befreit und konnte sich gegenüber dem ptolemäischen System durchsetzen. Es gäbe noch andere Beispiele und ich könnte einige Schulstunden damit füllen. Bloß nicht!!!!

Und dann fällt mir z. B. ein Gedicht von Heinrich Heine ein - aus seinem Zyklus "Die Nordsee" und das will ich Ihnen hier noch abdrucken:

Fragen
Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer
Steht ein Jüngling-Mann,
Die Brust voll Wehmut, das Haupt voll Zweifel,
Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:

"O löst mir das Rätsel des Lebens,
Das qualvoll uralte Rätsel,
Worüber schon manche Häupter gegrübelt,
Häupter in Hieroglyphenmützen,
Häupter in Turban und schwarzem Barett,
Perückenhäupter und tausend andre
Arme, schwitzende Menschenhäupter -
Sagt mir, was bedeutet der Mensch?
Woher ist er kommen? Wo geht er hin?
Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?"

Es murmeln die Wogen ihr ew'ges Gemurmel,
Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,
Es blinken die Sterne gleichgültig und kalt,
Und ein Narr wartet auf Antwort.

Nun ja, seien wir nicht so pessimistisch wie Heine und lassen wir die Naturwissenschaften ruhig weiter machen und der "Wahrheit" immer wieder ein Stückchen näher kommen!
Ihr ehemaliger Physiklehrer

Wolfgang Funk

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